Primär- und Sekundärtugenden

Da hab ich beim Teacher was gefunden, was mir ausnehmend gut gefällt.
Nachgesagt wird Folgendes dem Jesuitenpater Rupert Lay, der für sein Lebenswerk und seine Verdienste um ethisches Managment und Unternehmensethik 2004 den Fairness-Ehrenpreis der Fairness-Stiftung verliehen bekam.

Grob zusammengefasst unterscheidet er zwischen Managern und echten Führungspersönlichkeiten und zwischen Primär- und Sekundärtugenden.

Der größte Fehler ist, wenn Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Ordnung, Sauberkeit und Gehorsam an erster Stelle stehen.
Nach solchen Sekundärtugenden funktioniert auch jedes Konzentrationslager.

Und die Primärtugenden?
Zivilcourage, Konfliktfähigkeit und Toleranz.

Wie werden diese Tugenden in unserem Umfeld gelebt?
An welche Stelle werden sie von dieser unserer modernen Gesellschaft gereiht.
Und zwar nicht hochoffiziell, sondern wie seht ihr die tatsächliche Realität hinter dem, was man tun sollte und dem, was oft einfacher ist?

Ich persönlich dachte mir gleich, mhmm, schlimm, dort wo ich die meiste Zeit verbringe funktioniert’s zwar nicht wie im KZ.
Aber wenn's hart auf hart kommt, dann werden nur Sekundärtugenden tatsächlich eingefordert.
Mit den Primärtugenden schmückt man sich zwar gerne, mit der tatsächlichen Umsetzung hapert’s aber doch sehr, damit eckt man ja doch leicht an, wird lästig und schwerer zu handhaben und abzutun.

In meinem Familien- und Freundeskreis sieht dies glücklicherweise anders aus.
Dort schätzt man größtenteils den Aufwand, den es die Seele und den Kopf kostet, nicht nur zu funktionieren, sondern zu leben, sich mit den andern auseinanderzusetzen, sieht dies als Bereicherung und nicht als Belastung.
Ich selbst bemühe mich auch weniger um die Sekundärtugenden, die erscheinen mir persönlich meist ein bisserl unbequem, eher lästige Notwendigkeit.

Wie empfindet ihr euer Verhalten und das eurer Umwelt in diesem Zusammenhang?
Und was liegt dem zugrunde, bewusste Erziehung oder Lernen durch Erfahrung?
Fiercedragon – 2006-01-27 14:35

nanana.
just in case you did not notice yet: dein arbeitsplatz ist ein modernes fließband. hinten kommen zwar keine autos raus, dafür aber eine dienstleistung, die gewissen qualitativen, aber auch quantitativen kriterien genügen muß.
die messung der quantitäten ist in unserer technisierten welt natürlich einfach - und darum läßt sich der mitarbeiter auf diese weise natürlich einfach "messen". noch dazu in einem schichtbetrieb im weitesten sinne wird somit auf die sekundärtugenden (ein krampf, dieses wort) stark wert gelegt.

wenn die situation in deinem büro aber so sehr schlimm wäre, dann hätten die einzelpersonen etwas "aus erfahrung gelernt" und würden die fluktuationsrate auf "competitor-niveau" anheben. da dem aber nicht so ist denke ich, wird's so schlimm ned sein.

oder etwas peppiger formuliert: der soldat, der nicht murrt, ist schon tot.

Kinkerlitzch3n – 2006-01-27 15:38

1. Hab ich in diesem Text nicht primär geschildert ob die Situation in unserem Büro schlimm ist - das ist deine Interpretation. Mir ging es um das ganze Leben in unserer Gesellschaft.

2. Ja, ich weiß, wofür ich mein Gehalt beziehe und was die Firma im Gegenzug erwartet. Die einfachere Meßbarkeit von Sekundärtugenden hab ich ja erwähnt.

3. Läßt es sich nicht bestreiten, daß (nicht nur) unser Arbeitgeber sich nur allzugern Primärtugenden auf seine Fahnen heftet, die Bewertung der Mitarbeiter aber eben nicht darauf fußt. (Wie gesagt: im Falle eines Falles)

4. Wie gehts denn dir persönlich mit solchen Überlegungen, das hätte mich von der geehrten Leserschaft interessiert.

Fiercedragon – 2006-01-27 16:26

ad 1. und 2.: genau, darum ja auch die "umfeld-meiste zeit-kz-einfordern"-metapher. hat also nicht primär mit der arbeit zu tun.

ad 3. und 4.: die 3 primärtugenden bist du als allererstes dir selbst schuldig, nicht einem arbeitgeber oder "der gesellschaft". wenn du keine zivilcourage oder toleranz aufbringst, dann ist das in erster linie ein großes versagen vor dir selbst, erst in zweiter linie vor einer anderen instanz.
pünktlichkeit und bla bist du zu allererst demjenigen schuldig, dem du dich vertraglich oder sonstwie vereinbart dazu verpflichtet hast.

hier eine etwas einfacher umzusetzende primärtugend in bezug auf arbeits- und privatleben:
"love it, change it or leave it."

irgendwie hab ich aber so ein unbestimmtes gefühl, dass meine worte für die würscht sind.

Kinkerlitzch3n – 2006-01-27 16:36

entweder du willst mich mißverstehen, oder du hast meinen ursprünglichen beitrag nicht aufmerksam gelesen.

Ich bringe vielleicht nicht immer (genug)Zivilcourage und Toleranz auf (du schon?), was ich aber ganz sicher von mir behaupten kann - ich bemühe mich drum.
Und genau deshalb schätze ich mich nicht als Charakter-Versager ein.

ICH hab ja irgendwie das Gefühl, da ist wieder mal ein klärendes Gespräch fällig.
Damit du auch merkst, daß deine Worte bei mir nicht abgetan werden.

LovDev – 2006-01-28 07:40

Ich möchte

mich von eurer Gesprächsrunde distanzieren ( wie es scheint besteht da Klärungsbedarf° raus halt ) ,aber dennoch auf Deinen Beitrag eingehen und eigenes Material einwerfen.
Bürgerliche Tugenden sind Primärtugenden.
Bürgerliche Tugenden,Primärtugenden, gehören als Grundwerte in Staat und Gesellschaft gewürdigt.
Verantwortungsgefühl, Disziplin, besonders Selbstdisziplin, Verlässlichkeit und Ordnung
meiner Meinung nach Erziehungswerte, die jede Schule und auch jede Firma vermitteln sollte.
Sie sind Voraussetzung von Bildung und Ausbildung.
Sie sind Voraussetzung einer Gesellschaft in der der Mensch ein Höchstmaß an
Freiheit und Unabhängigkeit
genießen kann, weil er sich seiner Verantwortung in der Gesellschaft bewusst ist und zur Erfüllung seiner Aufgaben keine Bevormundung bedarf .
In meinem Umfeld sind Primärtugenden kein schmücken,sondern eine Selbstverständlichkeit.
Kommen wir zu den Sekundärtugenden,anders als bei den Kardinaltugenden ist es von der jeweiligen Gesellschaft abhängig, was als eine Sekundärtugend angesehen wird. Pflicht- und rdnungssinn sowie Gewissenhaftigkeit wurden etwa als typisch deutsche Sekundärtugenden angesehen.
Ich selbst bin beruflich in einer Führungsposition und denke das sich diese beiden Tugenden in einem Menschen ergänzen sollten,um zum Erfolg zu führen.
ich denke das die Erziehung sicher eine Rolle spielt,aber dennoch kann man das erzogene durch Erfahrung vertiefen.
Liebgrü lovDev

Kinkerlitzch3n – 2006-01-28 10:21

Danke LovDev!

Ich freue mich über diesen ausführlichen Kommentar.

Teilweise gehe ich mit deiner Meinung konform.
Die Einhaltung von Sekundärtugenden macht es wohl erst möglich, daß das Zusammenleben einer größeren Gemeinschaft funktioniert. Und Primärtugenden ermöglichen die freie Entfaltung von Persönlichkeit und Leben - nicht nur Überleben und funktionieren - sondern sich ausleben und in Freiheit und Glück leben, in Steigerung von Zufriedenheit, weil man nicht nur das alles hat, was man braucht, sondern eben noch ein bißchen mehr.

Der Grundstein wird wohl durch Erziehung gelegt, unter anderem ist es ja für Kinder sehr wichtig, sich in der Gemeinschaft mit anderen zurechtzufinden, sich behaupten zu können und doch Rücksicht auf andere zu nehmen. Dies beginnt nun mal mit der Erfüllung von "einfachen Dingen" wie Ordnung und Pünktlichkeit.
Erst später macht sich das Menschlein Gedanken über sich, seine Persönlichkeit und Notwendigkeiten, die über die Erfüllung von Grundbedürfnissen hinausgehen. Und dann tritt die Erfahrung an erste Stelle vor die Erziehung.

LovDev – 2006-01-28 15:12

Bedank Dich net , es ist eine interesate Thematik,da geht Frau gerne drauf ein :-)

Zitat : "Erst später macht sich das Menschlein Gedanken über sich, seine Persönlichkeit und Notwendigkeiten, die über die Erfüllung von Grundbedürfnissen hinausgehen. Und dann tritt die Erfahrung an erste Stelle vor die Erziehung."
da gebe ich Dir Recht,es ist wirlich so das ab einem bestimmten Alter die Erfahrung vor die Erziehung tritt.
Der Mensch bleibt ja auch grundsätzlich net stehen ,sondern er entwickelt sich stetig weiter.
Was ich interessant fand,war eine Vergleichsstudie in unserer Firma beim Moltivationstraining.Es ging darum die Primärtugenden und allg. Tugenden zwischen Deutsche und Ausländer zu vergleichen.Es war ein bemerkenswertes Ergebnis!
Die Aüsländer setzen zum beispiel sehr viel auf äußere Höflichkeit,gute Kleidung ( Sauberkeit) sowie Hilfsbereitschaft.Wobei der Deutsche seine Prioritäten in der Zuverlässigkeit,Zielstrebigkeit und im Erfolg setzt.

Kinkerlitzch3n – 2006-01-28 17:18

Ob sich wirklich jeder sein Leben lang weiterentwickelt bezweifle ich. Ich glaube es findet vor allem ab der Lebensmitte häufig ein Rückgang des Lernwillens statt - das Paradebeispiel des sturen, intoleranten Alten, der sich mit der heutigen Weltoffenheit nicht mehr auseinandersetzen will.

Zu der Studie in deiner Firma: Wie wurde die Unterscheidung getroffen, nach Staatsbürgerschaft, nach deutschen oder fremden Wurzeln, danach, wo der Befragte die ersten 10 Lebensjahre verbracht hat...?
Und ist es vielleicht möglich, daß sich Ausländer gezwungenermaßen an die "neue" Gesellschaft anpassen müssen und daher - wie in der Kindheit - zuerst mal die Sekundärtugenden im Vordergrund stehen. Daß sie anders als geborene Deutsche ja zuallererst und immer das erfüllen wollen oder müssen, wovon sie annehmen, daß es in der neuen Umgebung besonders hochgehalten wird? Anpassung vor persönlicher Entfaltung in der Fremde?
Dem Deutschen an sich wird ja immer und zuallererst Ordnung, Sauberkeit und Fleiß nachgesagt.
Was meinst du?

teacher (Gast) – 2006-01-30 18:19

Ich glaube in der Erziehung (und in der Schule) einen (m.E. positiven) langfristigen Trend feststellen zu können: Weg von den Sekundär-, hin zu den Primärtugenden. Damit scheinen z.B. die Arbeitgeber und die (ältere)Öffentlichkeit nicht gut umgehen zu können

Kritiker (Gast) – 2009-09-05 10:49

Wandel der Gesellschaft

Ich bin etwas perplex, dass hier die älteren Mitmenschen generell so negativ beurteilt werden. Wer ist jetzt älter? Es ist die viel gelobte 68er Generation, nun 60 und mehr Jahre alt. Offenbar haben die Generationen danach den Einfluss der 68er Generation auf die Gesellschaft nicht so gut beurteilt, wie sie es erhofft haben Gibt es also ein zurück zu alten Werten? Ich glaube, dass es gut tut, sich die christliche Ethik anzusehen und danach zu leben, Zivilcourage gegen schlechte Sitten und Lügen zu zeigen, sich also für das definitiv Gute einzusetzen, privat und im Beruf. Dann ist das Leben viel einfacher als es für manchen Verwirrten, egal ob jung oder alt, scheint.

Trackback URL:
https://kinkerlitzch3n.twoday.net/stories/1474550/modTrackback

Next Exit:

Aktuelle Beiträge

hallo kinker :) du bloggst...
hallo kinker :) du bloggst auch nicht mehr? scheint...
hexamore (Gast) - 2014-07-20 10:27
Schöne Idee. Ich glaube,...
Schöne Idee. Ich glaube, das werd ich am Wochenende...
Jule (Gast) - 2014-02-20 14:41
Cool, jetzt kann ich...
Cool, jetzt kann ich das zuordnen! Das muss in der...
Kinkerlitzch3n - 2014-01-29 18:40
Das ist ein echter ROA
Wo ist das aufgenommen? Hier gibts mehr facebook.com/ROAStreetArt
Jan (Gast) - 2014-01-26 18:45
.
momoseven - 2013-10-25 15:26

User Status

Du kannst Dich hier anmelden.
Login

Status

Online seit 6857 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2022-08-22 00:26

Ich freue mich über Post an:

kinkerlitzch3n (ät) hotmail (punkt) com

Suche



Tracker


Credits


Anderorts
Anna
Artverwandte
Auf dem Weg
Ausbildung Lernberatung
Befindlichkeiten
Bloggeria
Dead and gone (hope so)
Der Liebste von allen
Done & To do Listen
Eigene Werke
Familystuff
Festivals
genäht, gemalt, geschraubt, uvm.
Impressum
Kinkerlitzchen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren