Warum Erinnerungen?

Da hat mir Fiercedragon wieder mal ne Frage gestellt, auf die ich keine Antwort finde.
Was ist mir wichtig an der Vergangenheit?

Wenn ich seine Intention richtig verstehe, versteht er nicht, warum ich mich nicht ausschließlich auf das Hier und Jetzt konzentriere, sondern immer wieder Dinge aufschreibe und darüber nachdenke, die viele Jahre zurückliegen.

Fakt ist, einzelne Erinnerungen drängen sich immer wieder an die Oberfläche und beschäftigen mich. Und seit ich nahezu täglich meine Gedanken festhalte, kommt auch das Thema Vergangenheit wieder und wieder aufs Tapet.

Letztes Wochenende hab ich ein langes Gespräch mit meiner Mama geführt. Ich weiß, daß ich mich an vieles nicht erinnern kann und es war mir wichtig, zu erfahren, wie sich manche Situationen genau abgespielt haben.
Und dann erzählt die mir was, woran ich mich völlig anders erinnere. Na ich saß mal da, Lade bei Fuß. Die Geschichte, wie sie sich dran erinnert, ist ziemlich absurd, darum glaube ich auch, daß meine eigene Erinnerung falsch ist. Denn ich hatte mir ein recht nettes, plausibles, harmloses Geschichtchen zurechtgestrickt.

Damit, daß ich mich an manche Erlebnisse gar nicht oder teilweise nicht erinnere, hab ich mich ja schon länger abgefunden. Obwohl ich es nicht mag, ich kann die Erinnerung nicht zurückzwingen.
Aber die Erkenntnis, daß mich meine Erinnerung komplett trügt, diese Erkenntnis war ziemlich hart.
Was hab ich noch alles vergessen oder verdrängt?
Ich muß mich doch auf meine Erinnerungen verlassen können!
Daß ich es offensichtlich nicht kann, bezeichnet für mich einen gewissen Kontrollverlust.
Und Kontrollverlust behagt mir überhaupt nicht.

Vielleicht memoriere ich deshalb vieles? Damit ich es im Gedächtnis halte und es sich nicht irgendwann verändert?
zuckerfrei – 2006-02-17 00:04

erinnerungen entsprechen nie dem was wirklcih passiert ist... damit muss man sich abfinden... und manchmal ist es einfach gesünder für einen an eine vergangenheit zu glauben, die so nicht stattgefunden hat...

wichtig ist aber auch, dass man mit seiner vergangenheit halbwegs in einklang ist, sonst holt sie einen ein und man kann das leben im hier und jetzt nicht genißen...

das sind zumindest meine erfahrungen...
leider ist es nicht immer so leicht seine vergangenheit zu verarbeiten... das weiß ich aus eigener erfahrung... so schmerzhaft es ist, man muss trotzdem damit leben...

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 00:07

Natürlich sind Erinnerungen subjektiv - aber das war wirklich heftig anders! Da waren wir alle ziemlich überrascht!

zuckerfrei – 2006-02-17 00:09

naja, vielleicht habt ihr das auch ganz anders erlebt... das du sachen nicht weißt/wusstest die deine mama nicht weiß und umgekehrt...
und dadurch eine ganz andere perspektive entsteht

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 00:13

Das ist auch öfter der Fall gewesen, aber in dem speziellen Fall nicht. Ich hab mich damals auch ziemlich aufgeregt und als mir Mama den Wortlaut meiner Empörung geschildert hat, da war dann so ein leises Klingeln im Hinterkopf. Ich hab mir da tatsächlich etwas anderes abgespeichert, als tatsächlich passiert ist und ich hab diese Geschichte auch schon mehrfach anderen erzählt - immer falsch.

creature – 2006-02-17 00:15

ich nehme das leben auf meine art wahr und die muß mit der wahrnehmung anderer überhaupt nicht zusammenpassen, aber genau das macht jeden einzigartig!

zuckerfrei – 2006-02-17 00:16

nachdem ich nicht weiß, um was es da geht, kann ich auch schecht beurteilen, inwieweit das jetzt gravierend ist, also bitte verzeih mir dir frage:

ist es denn so schlimm?

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 00:22

Schlimm in dem Sinn nicht, das Ereignis an sich ist nicht wichtig, damals war es aber ein einschneidendes Erlebnis, hat mit einem Ferienjob zu tun. Und deshalb ist das so eigenartig, daß ich so eine lebhafte Erinnerung an etwas habe, das nie passiert ist. Und als ich genauer über die Version meiner Mum nachdachte, kam es mir doch leise bekannt vor. Wir hatten aber vorher nie drüber gesprochen, weil die nachfolgenden Ereignisse viel dramatischer waren. Ich zweifle nur echt an meinem Verstand. Bzw. an meiner Psyche - wieder mal.

zuckerfrei – 2006-02-17 00:32

bitte nicht an dir zweifeln...

es geht mir nicht anders...

ich hab da auch was, da war ich mir sicher, ich werd das mein ganzes leben nicht vergessen und über die jahre hat sich die version der geschichte die ich im kopf hab im gegensatzt mit der version in meinem tagebuch stark geändert...

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 00:45

Nun das beruhigt ein bißchen, daß auch andere sowas erleben,. Aber ich weiß - bis zum Wahnsinn ist es ein langer, harter Weg.

zuckerfrei – 2006-02-17 00:56

ja, den wahnsinn muss man sich erstmal erkämpfen und verdienen ;)

Budenzauberin – 2006-02-17 08:35

Och, manchmal ist der gar nicht so lang und hart. ;-)

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 13:19

Erfrischend wie immer, der erste Kommentar am Morgen, wie schön!

emotion mit schmerz und ohne – 2006-02-17 16:18

rotten

tja das mt erinnerung ist so eine Sache. Wenn man Zeugen von Unfaellen befragt koennen die sich oft nichteinmal auf eine Farbe des Fahrzeugs einigen! Und da faengts nur an. Ich treffe ja oeffter Menschen mit denen ich vor ein zwei, oft vier oder fuenf Jahren zusammengearbeitet habe und stelle oft unterschiedliche Erinnerungen auf gemeinsame erlebnisse fest. Habs aber auch schon oft erlebt das das was ich noch im Kopf hab wirklich Welten von dem entfernt ist was von anderen berichtet wird. Ich denke es spielt aber auch keine Rolle da niemand mehr weiss wie es war und es oft interessanter ist wieso man sie dieses oder jenes gemerkt hat oder wieso man (bei mir oft) das eigene Handeln anders erinnert als andere. vielleicht bis bald ...

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 18:41

Anscheinend geht es wirklich mehreren so wie mir, also kein Grund zur Beunruhigung? Schön, daß du hier warst!

Fiercedragon – 2006-02-17 17:27

in dem moment wo ich dir eine frage stelle überlegst du, welche intention hinter meiner frage stecken könnte?!

wie wär's mit einem ersatzweisen "du, was bezweckstn mit der frage?" - könnte möglicherweise eher zum ziel führen. oder tust lieber rätselraten - is natürlich auch OK für mich.

nur noch so als kleinen zusatz: "sich erinnern" ist ein akt der gegenwart, nicht der vergangenheit.

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 18:46

Also gleich in dem Moment, in dem du fragst, versuch ich eher mal eine Antwort zu finden. Das ist bei den Fragen, die du stellst, oft nicht einfach. Und dann überlege ich schon, warum du mir gerade diese Frage stellst. Speziell bei solchen Überlegungen. Du fragst sowas nicht ohne Grund. Ich hab immer noch das Gefühl, daß du mich ein bißchen coacht. Aber ich seh dich ja nimmer, oder kann spontan bei dir vorbeischauen, wenn ich nicht weiterkomme. Und ich überlege auch gern mal selbst, bevor ich andere befrage, das stimmt schon.

Verrätst du mir, warum du mich genau das gefragt hast?

zuckerfrei – 2006-02-17 18:47

jaja, die fragen des drachen ;)
wessen kopf raucht da nicht?!

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 18:48

Er stellt aber oft die richtigen Fragen, die mich dann weiterbringen. Find ich schon gut!

zuckerfrei – 2006-02-17 18:49

na ich doch auch!

Fiercedragon – 2006-02-17 21:51

sehr gerne sogar.
also:

wenn du schreibst, dass du denkst, dass ich vermutlich nicht verstehe, warum du dich nicht auf das hier und jetzt konzentrierst und statt dessen über dinge nachdenkst die jahre zurückliegen, dann hast du damit selbstverständlich ein kleines oder größeres bisschen recht.
nur: das ist ein klassisches "deine welt/meine welt"-ding. nur weil es in meiner welt nícht so viel sinn macht wie in deiner ist es ja nicht "falsch" oder so. ich frage mich eher, was der grund dafür ist, dass du dich so in die vergangenheit bemühst.

dafür gibt es eine ganz genial geeignete frage, und das ist eben die "was ist dir denn daran wichtig?"
diese frage bringt mir mit deinen antworten keine neuen informationen (auf einer sachlichen ebene, meine ich damit), sondern sie liefert mir beziehungsweise natürlich: dir allerhand wertvolles über dein werte- und glaubenssystem.

denn natürlich wirst du gründe finden, warum für dich deine beschäftigung mit der vergangenheit wichtig und wertvoll ist. und möglicherweise finden sich da auch beweggründe, die bei genauerer betrachtung gar nicht so förderlich für dich sind. an denen könntest du dann arbeiten, wenn es die gäbe und dir die möglichkeit gegeben wäre, sie zu erkennen.

ps: natürlich gäb's für das ganze eine viel einfachere frage, und die lautet: "warum (ist dir die vergangenheit so wichtig)?" allerdings hat das warum den entscheidenden nachteil, dass es den gefragten meist unmittelbar in eine situation bringt wo er glaubt, sich rechtfertigen zu müssen. oder vielleicht sogar sich entschuldigen zu müssen. doch darum geht es nicht - dass das alles für dich sinn macht, ist mir sonnenklar und deshalb darf bei dir keinesfalls das gefühl entstehen, dass du dich rechtfertigen mußt.
deshalb frage ich wertneutral "was ist dir an der vergangenheit wichtig?"

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 22:05

Auf das Warum? finde ich nach wie vor keine Antwort. Aber ich merke, daß es mir gut tut, über diese vergangenen Dinge nachzudenken. Das Ganze jetzt aus objektiverer Sicht, mit mehr Lebenserfahrung noch mal durchzukauen, bringt mich weiter.
Ich habe zwar früher schon über das Thema gesprochen, aber gewisse Teile hab ich immer weggelassen, auch wenn ich mit meinen Eltern drüber sprach.

Und was hast du nun über mein Wertesystem herausgefunden?
Was glaubst du ist der Grund meines Vergangenheitswühlens?

Fiercedragon – 2006-02-17 22:13

wenn du dir keine antworten nach dem warum geben kannst, wie solln dann ich was drüber wissen?

vielleicht wirst du aus dir schlauer, indem du auf den punkt bringst, worin dieses "bringt mich weiter" genau besteht.

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 22:22

Du kannst ja was vermuten, weil du dich schon mit anderen Leuten & diesem Thema auseinandergesetzt hast. Was könnte das Warum? denn sein?

Und das bringt mich weiter, fühlt sich eher so an, als daß ich es sachlich beschreiben könnte.

Fiercedragon – 2006-02-17 23:29

different people - different reasons.


schon klar, dass du die beschäftigung mit diesem thema im weitesten sinne als "angenehm" empfindest. nur: was motiviert dich, das zu tun? was ist denn der benefit, den du davon hast, dich mit der vergangenheit auseinander zu setzen? welche erkenntnisse gewinnst du daraus - und inwiefern sind die nützlich für dich?

oder etwas provokant formuliert: dass nach einigen jahren etwas gemeinsam erlebtes von den beteiligten unterschiedlich gesehen und vor allem unterschiedlich empfunden wird hat ja schon der alte immanuel kant in seiner erkenntnistheorie drinnen gehabt.

Kinkerlitzch3n – 2006-02-17 23:41

Kant hab ich noch nicht gelesen, und selbst wenn, ist es anders, wenn man diese Erkenntnisse am eigenen Leib erlebt.

In erster Linie erspar ich mir viel Nervenkraft, wenn ich mich bewußt mit der Vergangenheit auseinandersetze und Erlebnisse in Worte fasse.
Tu ich es nicht, dann bahnen sich die Gedanken daran ihren Weg an die Oberfläche, sobald sie durchkommen können - oft nicht gerade im passendsten Augenblick. Dies hat schon oft zu sehr unangenehmen Situationen geführt, die ich in Zukunft vermeiden möchte.

Erkenntnisse sind zum Beispiel, was hat dazu geführt, daß ich mich in einer bestimmten Situation so und nicht anders verhalten habe. Und dann kann ich überlegen, welche Verhaltensweisen ich sonst hätte anwenden können, damit ich persönlich die Situation als angenehmer empfinde bzw. mir Kummer ersparen kann, wenn es wieder mal passiert.

Fiercedragon – 2006-02-18 00:25

hä? ich fürchte, beim ollen immanuel is was nicht ganz rübergekommen: will sagen, es ist sowieso klar, dass nach einiger zeit sich gemeinsam erlebtes in die jeweiligen subjektiven realitäten aufspaltet derer, die sich daran erinnern. eine "objektive" geschichtsschreibung, wenn man so will, gibt's nicht - weder im historischen noch im individuellen kontext.

die anderen beiden absätze gehen schon schön langsam in eine bestimmte richtung.

bevor ich zum 2ten absatz was sage, laß mich nur noch eben fragen: wenn du schreibst, du sparst dir dadurch viel nervenkraft - wie hab ich mir denn das in etwa vorzustellen, wenn da was "an die oberfläche durchkommt"? also ich will dich nicht mit details quälen, nur für mich damit ich mir in etwa was drunter vorstellen kann: reden wir da von einem nervenzusammenbruch oder so was wirklich schlimmes in der art halt?

absatz 3 stell ich mir so ein bisschen vor wie eine zeitlupenanalyse von einem fußballmatch, wo die schlüsselszene des spiels analysiert werden und gesagt wird: wenn er da ned im abseits gstanden wär, dann wär draus ein tor geworden. oder: da hätt er köpfeln müssen. oder der rechte mittelfeldspieler wär frei gwesn, den hättst anspielen sollen. oderoder.
leben ist ja nix als eine kette von entscheidungen, wie neulich von dir festgestellt - und grundsätzlich hast du dann ein besseres gefühl im leben und von dir selber, wenn du bei jeder entscheidung mehr wahlmöglichkeiten zur verfügung hast als bei der entscheidung davor. je mehr wahlmöglichkeit, desto gut.
die akribische zeitlupenanalyse der vergangenheit kann dir unter günstigen Umständen natürlich Handlungsalternativen für die Zukunft aufzeigen, das ist ganzganz klar.
mir persönlich ist das a) inzwischen zu mühsam und zu unsicher (denn nur weil ich was aus der vergangenheit weiß heißt noch lang nicht, dass ich das morgen schon in neuer form umsetzen kann) und b) zu wenig kreativ.
wär's nicht viel cooler und einfacher, in jeder gegebenen situation angemessen, flexibel, für dich angenehm und möglicherweise auch noch souverän reagieren zu können?

Kinkerlitzch3n – 2006-02-18 00:34

Was du mit Kant meintest hab ich schon verstanden, daß es nur subjektive Realitäten gibt, ja, ist mir klar. Aber daß diese Realitäten (scheinbar grundlos) so immens stark differieren können, war mir neu. Und hat mich erschreckt.

Ich glaube Nervenzusammenbruch geht schon in die Richtung, natürlich nicht immer. Das wird jetzt extrem persönlich, können wir darüber vielleicht per Mail oder Messenger sprechen?

Und zu deinem letzen Satz => klar, wär super, nur kenne ich da wahrscheinlich eine Möglichkeit zu wenig ;o)

Fiercedragon – 2006-02-19 20:08

klar kömma. ich wollte jedoch lediglich die dimension dessen kennen, und keine einzelheiten. denn die details musst du wegen mir nicht extra im geiste noch mal durchleben.
aus deiner antwort ergibt sich für mich dann auch schon der kommentar zu deinem zweiten absatz ("in erster linie erspar ich mir viel nervenkraft..."): ich denke, dass gerade der letzte satz (...unangenehme situationen vermeiden) ganz ordentlich etwas über deine beweggründe verrät, warum du dich mit der vergangenheit in dieser art und weise auseinandersetzt. du möchtest etwas vermeiden - etwas unangenehmes noch dazu. was sich für mich anliest als wäre da "angst" im weitesten sinne die triebfeder für dein tun.
angst ist nie so was wirklich förderliches, wie wir alle wissen, und "vermeidung" eine ungenügende strategie. think it mal over ob an meiner überlegung was dran ist.

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