"Das Leben ist schön" läuft gerade auf VOX.
Dieser Film ist so berührend, gleichzeitig wunderschön, lustig und unglaublich traurig.
Wer ihn noch nicht kennt – unbedingt anschauen, wenn er wieder mal wo läuft!
Einer der besten Filme, die ich jemals gesehen hab.
Kinkerlitzch3n – 2006-01-07 22:00
Das besetzte Haus in G. befand sich in der Herrgottwiesgasse, bezeichnenderweise mußte man vom Stadtzentrum kommend die Richtung Puntigam links einschlagen. Dieser Ausdruck hat seinen Ursprung vermutlich daran, daß in diesem Bezirk die Landesnervenklinik angesiedelt ist. Auch eine Strafanstalt befand sich in der Umgebung, wir befanden uns also in bester Gesellschaft.
Im Haus gab es zwar fliessend (kaltes) Wasser, aber nur in einigen Zimmern Strom. So hielten wir uns meist im Zimmer von T. u U. auf, die Strom hatten oder im Freien, nur zum Schlafen begaben wir uns in ein anderes Zimmer, das wir zu fünft teilten.
Im Hochbett war O.s Revier, darunter schliefen I. und ich und auf der Couch machten es sich ein Pärchen bequem.
Im Obergeschoß lebte glaub ich nur noch einer, der sich aber etwas abschottete. Er war hauptsächlich damit beschäftigt, aus Mohnkapseln O-Tee zu kochen. I. freundete sich mit ihm an, ich war nur einmal oben und nach 2 Tassen von diesem Tee hab ich gekotzt wie selten in meinem Leben. Furchtbar!
Mit O. gab es mal eine furchtbare Nacht. Wir waren alle noch bei T. u U. drüben, nur I. war bereits schlafen gegangen, auch O. war schon in seinem Hochbett, er war ziemlich stark betrunken.
Plötzlich kam I. zurückgerast: „Kommt alle schnell, ich glaub, der O. hat sich aufgehängt!“ Er hatte die ganze Zeit in seinem Rausch schon von Selbstmord und Sinnlosigkeit gefaselt, I. war dann irgendwann eingeschlafen und durch ein furchtbares Krachen geweckt worden. In ihrer Panik war sie zuerst mal zu uns gelaufen, ohne nachzusehen, was genau passiert war.
Einigermaßen geschockt gingen wir mit einer Taschenlampe nachschauen und was war passiert? O. war in seinem Suff aus dem Hochbett gefallen, unter den Tisch gerollt und hatte dort einfach weitergeschlafen.
Normale Körperpflege war schwierig durchzuführen, zum einen gaben wir unser Geld am ehesten für Drogen oder Essen aus, da blieb nicht viel über. Zum andern gab es kein Badezimmer, auch Wäsche waschen war nahezu unmöglich.
So suchten I. und ich, solange wir in G. waren, hin und wieder meine Großmutter auf. Dort konnten wir baden, sie wusch unsere Wäsche und nahm unseren Zustand eigentlich erstaunlich gelassen hin. Was hätte sie auch tun sollen?
Unterwegs war es noch schwieriger, die meiste Zeit mußte ich mich auf minimale Notwendigkeiten beschränken. Öffentliche Toiletten mied ich, mir ekelte, so ging ich jeden Morgen in irgendein Café oder ein Gasthaus, wo ich meine Zähne putzen und mich notdürftig waschen konnte – ohne Handtuch natürlich...
In Wien gab es den „Ganslwirt“, eine Betreuungseinrichtung für Obdachlose und Drogenabhängige, wo man sich duschen konnte und seine Wäsche waschen konnte.
Auch die Essensbeschaffung war so eine Sache, meist lebten wir vom Schnorren, da kommt nicht unbedingt viel zusammen, so wurde auch hin und wieder mal Essbares geklaut. Die meiste Zeit beschränkte ich mich allerdings auf eine Semmel und einen halben Liter Sauermilch am Tag, das macht schön satt und mit genügend Alkohol bekommt man den Kopf schön zu und irgendwann war auch das Hungergefühl weg. Zudem wußte ich nicht, ob nicht Abgängigkeitsanzeige erstattet worden war und hatte ziemlich Angst, daß mich die Polizei schnappen könnte.
Was wirklich erschreckend ist, man bemerkt in so einer Situation einfach nicht, wie weit man heruntergekommen ist, da alle mit denen man den Tag verbringt ebenso drauf sind.
Erst als ich wieder zuhause war, bemerkte ich, wie ich stank, wie schmutzig meine Klamotten waren, da ekelte mir vor mir selbst. Vorher war es mir nicht aufgefallen. Das finde ich heute noch sehr schlimm, mittlerweile unglaublich, daß das passieren konnte!
Wir hielten uns aber nicht nur im besetzten Haus auf, meist zogen wir nachmittags in den Stadtpark und abends, so Geld vorhanden war, ins Q. wo wir keinen Eintritt mehr bezahlen mußten.
Einmal veranstalteten wir ein Käsefondue im Garten. Wir gaben den Käse in einen Topf, den wir in einen Einkaufswagen stellten und entfachten darunter ein kleines Lagerfeuer. Leider wurde der zugegebene Weißwein so großzügig bemessen, daß nicht mal wir viel davon essen konnten. Und irgendwann später torkelte unser kleiner Hundewelpe betrunken um die Ecke. Er hatte den Topf umgekippt und ausgeschleckt. Ein köstlicher Anblick, er fiel immer wieder um und lief überall dagegen, dann schüttelte er sich wieder, kannte sich wohl gar nicht mehr aus, was hier lief.
T. und U. hielten in einem Käfig eine Rattenfamilie, die waren so herzig und wenn sie Freigang im Zimmer haben durften, fanden sie unweigerlich die kleinsten Haschischbrösel. Wie kleine Staubsauger wuselten sie durchs Zimmer auf der Suche nach Drogen. Auch Bier tranken sie gerne, es waren wohl typische Punk-Ratten.
Eines der Babies hab ich mir dann mit nach Wien genommen und hatte lange Jahre immer wieder Ratten als Haustiere.
Kinkerlitzch3n – 2006-01-07 00:17