Mit-Schuld?

Am Wochenende Erinnerungen aufgefrischt und Folgendes schockiert zur Kenntnis genommen.

Als I. und ich unser Elternhaus verließen, um uns den rauhen Wind der bösen Welt um die Nasen wehen zu lassen, taten wir dies nicht ganz allein.
Ein Mädel aus dem Nachbardorf, gerade mal 15 Jahre alt, folgte uns nach.
Woher sie genau Bescheid wußte, wo wir zu finden waren, entzieht sich meiner Kenntnis, doch eins ist sicher: die Buschtrommel war damals am Glühen!

Laut ihrer Mutter sah D. in mir das große Vorbild, ich kannte sie nicht, ja, ich wußte, daß es sie gab, hatte aber meines Wissens nie mit ihr gesprochen.
Zudem fand ich selbst I. viel cooler als mich, doch die Umgebung nahm anscheinend mich als bunter und auffälliger wahr.
Und so riß eines Tages auch D. von zuhause aus und in das besetzte Haus in G. ein. Sie hatte dann eine Beziehung mit O., der ziemlich heftig drauf war, ein alter Hase in der Punkszene.
Mehr weiß ich aus eigener Erinnerung nicht mehr, D. spielte in meinem Leben nie eine Rolle.

Ihre Mutter hatte in den folgenden Monaten gemeinsam mit meiner Mutter nach der Tochter gesucht – ohne Erfolg.
Irgendwann muß D. dann doch wieder Kontakt mit dem Elternhaus aufgenommen haben, denn in den letzten Jahren bekam sie ein Kind, das tagsüber von ihrer Mutter betreut wird.
Da sie den Absprung aus den desolaten Verhältnissen aber nie geschafft hat, zudem drogenabhängig ist, liegt D. nun mit ihrer eigenen Mutter im Sorgerechtsstreit um ihr Kind.

Mir gibt das schon zu denken, so hätte es auch mit mir leicht ausgehen können.

Und ein kleiner, hinterhältiger Gedanke geistert durch meinen Kopf, daß ich mit Schuld daran trage.
Schließlich ist D. meinem Beispiel gefolgt.
Ich hatte sie nicht eingeladen, doch hätte ich den Sprung nicht getan, wäre sie vielleicht niemals gesprungen.
Ich mache mir deswegen keine Selbstvorwürfe, kann doch niemand guten Gewissens behaupten, daß ich D. in den Ruin getrieben habe – das hat sie schon selbst, als sie mit fünfzehn diesen Weg einschlug, wie ich, ohne mögliche Folgen zu bedenken.
Aber ich erkenne, wie weitreichende Kreise unser Handeln ziehen kann, man kann zwar niemals alle Konsequenzen in seine Entscheidungen miteinbeziehen, dann würde man ewig im Stillstand verharren, zudem wäre auch das eine Entscheidung, die das Leben um einen beeinflusst.
Und ich sehe, daß mein Handeln Auslöser dafür war, daß ein anderes Leben konkret unschön verläuft, das stößt mir bitter auf.
monerl – 2006-02-14 10:39

Hab mir am Wochenende den Film LA Crash angesehen. Trifft ziemlich genau das Thema. Vielleicht ein Film für dich wenns wiedermal zu spät zum shoppen aber zu früh zum schlafen ist.

Kinkerlitzch3n – 2006-02-14 14:17

hey! danke für den tip! lg K.

Natl (Gast) – 2006-02-14 14:23

Hab schon lange auf eine Fortsetzung Deiner Geschichte gewartet....

Mein Leben hat sich durch Deine Anwesenheit nur zum Besten verändert. Ich finde jeder nimmt sich seinen Teil aus einer Bekanntschaft bzw. Freundschaft mit nach Hause.
Ob das Positiv oder Negativ für einen ist muß jeder für sich selbst entscheiden.

Ich habe gelernt zu geniessen und zu entspannen!!
Ich habe erfahren das das Leben für viele nicht einfach ist und das es Menschen gibt die jeden Tag aufs Neue um ein paar Minuten Glück kämpfen müssen.
Ja auch Glücklichsein bzw.
-werden ist ein laaanger Weg.

Erst durch Dich bemerkte ich all die Obdachlosen die man sonst gerne übersieht und Du warst die Erste die einen "Augustin" gekauft hat, und Dinge für Obdachlose gesammelt hat.

Kinkerlitzch3n – 2006-02-14 14:39

Hallo Schatzl!
Ich hab am Wochenende wieder bemerkt, daß noch viel Aufarbeitungsbedarf ansteht. Derzeit sind noch 2 Beiträge dazu im Werden.
Kuß nach weit weg, dein Kinkerlitzchen

Fiercedragon – 2006-02-15 20:42

wo genau hört denn deine verantwortung für den lebensweg von d. auf und wo fängt sie an?
da, wo d. sich selbst dazu entschlossen hat, auch auszureissen? gehört das noch zu deiner verantwortung?
oder da, wo d. zum junkie wurde? bist du dafür noch zuständig? oder nicht mehr?

denk an den film "lola rennt" und an die ca. 10 kleinen handlungsstränge im film wo du siehst, was mit einigen menschen passiert, denen lola nur für sekunden begegnet. einmal wird jemand zum lottogewinner, dann aber wieder zum sandler. welchen einfluß hatte lola darauf, welche richtung dieses spezielle leben nehmen wird?

Kinkerlitzch3n – 2006-02-15 22:34

Ich denke, ich trage überhaupt keine Verantwortung an D.s Lebensweg. Ich hatte nichtmal ein Gespräch mit ihr! Zumindest vorher nicht, im Haus vielleicht schon, ich erinnere mich nicht.
Aber es ist schon ein bißchen erschreckend, wie weitreichende Fäden unsere Handlungen ziehen. Vor allem da es sich bei meinem Leben eben nicht um einen Film handelt.

Fiercedragon – 2006-02-15 22:57

was erschreckt dich denn daran? wenn du keinen "einfluß" auf andere hättest würdest du wohl alleine auf diesem planeten leben, ne?

Kinkerlitzch3n – 2006-02-15 23:00

Man erfährt es meistens nicht, wenn seine eigenen Handlungen so schlimme Dinge mit in Gang setzen. Würde dich das absolut kalt lassen?

Fiercedragon – 2006-02-15 23:28

was kann ich denn an der vergangenheit ändern? nix. nicht an meiner eigenen und schon gar nicht an der von jemand anderem.
und was weiß ich von der zukunft? ich weiß nicht mal mit sicherheit, ob morgen die sonne wieder aufgehen wird. ich gehe davon aus, einfach weil sie das die letzten 12000 tage meines lebens auch getan hat - aber wissen kann ich das nicht.

was bleibt mir also?
ich kann die gegenwart so gestalten, dass sie für mich und meine unmittelbare umgebung die schönste aller denkbaren gegenwarten wird. ich kann jeden moment, der mir gegeben ist, umarmen und für mich zu einer wertvollen erfahrung machen.

Kinkerlitzch3n – 2006-02-15 23:36

Da geh ich mit dir völlig konform, aber um ganz in der Gegenwart leben zu können, hab ich offensichtlich noch ein bißchen Aufarbeitungsbedarf. Sonst würde ich jetzt, über zehn Jahre danach, nicht immer wieder auf das Thema kommen. Und es berührt mich sehr, was alles passiert ist. Vielleicht hab ich bisher vieles verdrängt, das ich erst jetzt verarbeiten kann, warum sonst kommt jetzt soviel hoch?

Fiercedragon – 2006-02-16 00:28

gegenfrage: was an der vergangenheit ist dir denn wichtig?

Kinkerlitzch3n – 2006-02-16 00:34

Das ist jetzt schon schwieriger zu beantworten.
Das ist der Weg, den ich bisher beschritten habe, die Erlebnisse, die mich zu dem geformt haben, was ich nun bin und denke...

Fiercedragon – 2006-02-16 00:37

ja. und was daran ist dir wichtig?

Kinkerlitzch3n – 2006-02-16 00:57

Ich kann es nicht genau sagen. Hmm...
Ich möchte viele schöne Erinnerungen in Ehren halten und ich möchte Fehler die ich gemacht habe in Zukunft vermeiden. Aber was genau ist mir daran wichtig? Ich finde (jetzt zumindest) keine Antwort.

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