Nähe und Distanz (1)

Eine Gratwanderung.
Ich glaube, die totale Distanzierung von meiner Familie war notwendig, damit die Beziehung zueinander überhaupt jemals wieder funktionieren konnte.

Was meine Lieben auszeichnet, ist, daß sie mein Bedürfnis nach Distanz akzeptierten. Auch wenn sie sich möglicherweise zurückgestoßen fühlten, ließen sie mir Zeit, die Zeit die ich brauchte, bis ich wieder ein bißchen näher kam. Und wenn ich selbst nicht mehr weiterkonnte, selbst wenn ich wollte, dann kam mir einer entgegen und half mir über den Graben, ohne mich zu drängen. Über lange Zeit hinweg lernte ich zu wissen, daß egal was los ist, egal was ich anstelle, meine Familie es annimmt, daß ich meinen Weg gehen muß, so verschlungen es manchmal auch scheint, über viele Umwege finde ich mein Ziel.
Sie stehen alle hinter mir und unterstützen mich, wo sie können. Dafür möchte ich euch danken! Ich weiß, daß es nicht immer leicht mit mir ist, ich liebe euch, seid euch dessen gewiß!

Natürlich drängte sich nach meinem Weggang der Gedanke auf, mich polizeilich vermisst zu melden. Gott sei Dank haben meine Eltern erkannt, daß dies keinen Sinn gehabt hätte. Wäre ich gefunden und gezwungenermaßen zu Hause abgeliefert worden, wäre ich binnen kürzester Zeit wieder weg gewesen, wer weiß, ob meine Rückkehr dann so einfach abgelaufen wäre.
Wie ich später erfahren habe, hat meine Tante sich sogar in das besetzte Haus gewagt, mich aber nicht angetroffen. Respekt, ich hätte mich an ihrer Stelle bestimmt nicht getraut!
Möglicherweise war ich zu diesem Zeitpunkt auch schon mit verschiedenen Punks unterwegs durch Österreichs Landeshauptstädte.

Am Schluß meiner Reise befand ich mich in Innsbruck in Begleitung von T. Er war zu diesem Zeitpunkt abhängig von Beruhigungsmitteln. Ich glaube er war gerade mal 14 Jahre alt. Durch die Abwesenheit aus der Szene hatte er unterwegs und in Innsbruck kaum die Möglichkeit an Tabletten zu kommen. Zwar trank er stattdessen Alkohol und konsumierte Marihuana, doch zumindest konnte er eine Zeitlang den Tablettenkonsum stark reduzieren. S. der Junge, mit dem er in Wien ständig unterwegs war, blieb in Wien und wenn ich mich richtig erinnere, starb er 1-2 Jahre später an den Folgen der Sucht. (Leider kann ich mich nicht mehr an alle Begebenheiten genau erinnern, das Ganze ist über zwölf Jahre her und ich war meistens auch betäubt durch irgendetwas.) Da T. u S. immer alles gemeinsam gemacht hatten, vermute ich, daß die Tatsache, daß T. sich mit mir kurzfristig aus Wien löste, ihm das Leben gerettet hat. Jahre später traf ich T. gesund und munter an der der Abendschule wieder, ich hoffe es geht ihm heute nach wie vor gut.

Ich also mit T. in Innsbruck, er mußte allerdings dringend wieder vzurück nach Wien, um dort einen Drogentest abzulegen. Mit Autostopp wäre sich das wahrscheinlich nicht rechtzeitig ausgegangen, also marschierten wir zur Bahnhofsmission um einen Fahrschein auf Erlagschein zu lösen. Kühn erklärte ich, meine Eltern bezahlen das dann schon, wurde aber vom Mitarbeiter der Bahnhofsmission überrumpelt und fand mich mit dem Telefonhörer in der Hand und meiner Mutter am anderen Ende der Leitung wieder.
Ich erklärte kurz unsere Situation, meine Mutter reagierte toll, sie überwies mir sogar wesentlich mehr Geld als nötig, damit ich mir etwas zu essen kaufen konnte und nicht per Autostop fahren mußte, mit der Bitte ich solle doch zumindest zu meinem Geburtstag wieder heimkommen.

Dies tat ich dann auch nach einem kurzen Aufenthalt in Wien, allerdings kehrte ich nach wenigen Tagen wieder nach Wien zurück, wo ich mir in einem besetzten Haus ein Zimmer herrichten wollte.
Bei meiner Rückkehr war dieses Haus allerdings schon von der Polizei verbarrikadiert worden, ich durfte einstweilen bei meinem Freund R. unterkommen, woraus sich eine Beziehung und Lebensgemeinschaft ergab, die 3 Jahre andauerte.
Arwan – 2006-01-06 11:18

Hattest Du nie Angst? Ich meine Existenzangst. Ich hätte furchtbare Angst gehabt, daß mein Leben verschwendet wäre, unbeachtet, nutzlos. Daß ich eines dieser Schicksale teile, drogentot auf einer Toilette...

Deine Familie ist toll, so betrachtet. Ich kann mir nicht vorstellen wie meine Familie reagiert hätte...

Kinkerlitzch3n – 2006-01-06 22:00

Nein, zu diesem Zeitpunkt hatte ich niemals Existenzängste, die hab ich paradoxerweise erst jetzt, je mehr meine Existenz gesichert ist.
Damals lag mir nichts an meinem Leben, mein Hauptziel war, mich durch diverse Substanzen zu betäuben und aus der hoffnungslosen Wirklichkeit zu stehlen, wäre dabei mein Tod eingetreten, wäre es mir damals nur recht gewesen. Teilweise hab ich es auch darauf angelegt zu sterben, da ich einfach keinen Sinn mehr am Dasein erkannt habe. Gleichgültigkeit war wohl meine vorherrschendste Stimmung damals.

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